De-Risking ist ein Abbau wirtschaftlicher Chancen - Xinhua | German.news.cn

De-Risking ist ein Abbau wirtschaftlicher Chancen

2024-08-21 11:07:49| German.news.cn
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Von Du Chunguo

In einem Handelskrieg gibt es keinen Sieger. Das Derisking der deutschen China-Strategie ist eher ein Abbau von Chancen. Beide Länder sollten lieber voneinander profitieren.

BERLIN, 20. August 2024 (Xinhua) -- Die Europäische Union (EU) hat angekündigt, ab Juli Strafzölle auf chinesische Elektroautos in Höhe von bis zu 38,1 Prozent zu erheben. Die EU begründet ihre Drohung mit der Behauptung, dass China seine Autokonzerne subventioniere und gezielt Überkapazitäten aufbaue. Doch ist dieser Vorwurf berechtigt? Gibt es in China wirklich eine Überkapazität?

Wir leben heute in der fortgeschrittenen Globalisierung. Jedes Land spezialisiert sich auf die Produktion, die es am besten und mit höchster Effizienz kann. Dann folgt der internationale Warenaustausch. Der britische Wirtschaftswissenschaftler David Ricardo (1772 bis 1823) bezeichnete diese Praxis als „komparativen Kostenvorteil“ und legte damit den Grundstein für die Theorie der klassischen Nationalökonomie. Hat eine bestimmte Branche aus einem bestimmten Land einen hohen globalen Marktanteil oder liegt die Exportquote dieser Branche besonders hoch, führt das selbstläufig auf den „komparativen Vorteil“ zurück. Das ist noch bei Weitem keine Überkapazität.

Ein Beispiel: Deutsche Autobauer produzierten 4,11 Millionen Autos im Jahr 2023. Etwa eine Million davon wurde in Deutschland verkauft. Das bedeutet, dass drei von vier ins Ausland verkauft wurden. Liegt hier eine Überkapazität in Deutschland vor? Ich denke nicht.

2023 belief sich die Exportquote der chinesischen E-Autos auf 12,7 Prozent. Unsere Windkraftanlagen und Photovoltaik wurden überwiegend auf dem Inlandsmarkt verkauft. Aber hier in Europa wurde aus dem Stand heraus behauptet, chinesische E-Autos hätten den europäischen Markt überschwemmt. Ein Faktencheck zeigt gerade das Gegenteil. 2023 verkauften die zwei großen E-Autobauer Chinas BYD und NIO in Deutschland gerade mal je 4.139 und 1.263 neue Autos im Jahr. Nehmen wir beide zusammen, haben sie nicht mal annähernd ein Zehntel von neu zugelassenen VW-Stromern erreicht. Im ersten Quartal 2024 wurden nur 200 BYD monatlich verkauft.

Auf der anderen Seite des euroasiatischen Kontinents sind im chinesischen Straßenverkehr deutsche Autos unübersehbar. Sie dominieren die Stadtautobahnen gleichwohl jede kleinste Stichstraße. Chinesische Autofahrer haben viel Spaß am Steuer eines deutschen Autos. Und keiner denkt, dass der Markt in China von den zahlreichen Autos aus Deutschland überschwemmt sei und fühlt sich deswegen dadurch bedroht.

Ich glaube nicht, dass die chinesischen E-Autos in Europa, vor allem in Deutschland, gegenwärtig wirklich den Markt zu verbilligten Preisen überschwemmen. Ein chinesisches E-Auto kostet hier im Schnitt 31.000 Euro. Das ist deutlich teurer als in China, aber nicht wesentlich günstiger als die europäischen Produkte. Ein NIO ET7 kostet ab 82.000 Euro. Auch in Bezug auf die Regionalisierung haben sie noch großen Nachholbedarf.

Chinas Markt ist riesig. Die Konsumenten sind technikaffin und lieben neue Erfahrungen und Fortschritte durch neue Technologien. Die Unternehmen müssen deswegen riesige Summen in die Forschung und Entwicklung investieren, um sich den Kundenwünschen und dem Wettbewerb der Konkurrenten zu stellen. Das liegt in der DNA jeder Firma.

Gerade dieser Wettbewerbsdruck ist für Europa unvorstellbar. Wie überall auf der Welt kommen nur die Gewinner weiter, die Verlierer verschwinden schnell vom Markt. Aber das Tempo ist in China atemberaubend. Ein Beispiel: Für Photovoltaik findet schon alle drei Monate eine technische Erneuerung statt. Dieser Iterationszyklus ist insgesamt um zwei Drittel kürzer als auf dem europäischen Markt.

Neben technischer Führung gelingt es der Photovoltaik-Branche, kostengünstig zu produzieren. Sie bedient die ganze Kette der Wertschöpfung: von Rohstoffen, Batterie, Fahrwerktechnik bis hin zur Endmontage. Ausreichende, qualifizierte Fachkräfte, niedrige Energiekosten, großer Konsummarkt und viele Mega- und Gigafabriken - all das zusammen stellt einen perfekten Boost zu noch kostengünstigerer Produktion. Einige große Player von ihnen wollten schon den Schritt nach Deutschland wagen. Was sie abschreckt: hohe Energiepreise und negative Schlagzeilen über die Gigafactory von Tesla in Brandenburg. Deswegen bleiben viele Investitionsprojekte in Deutschland bisher nur auf Papier.

Viele führen die Wettbewerbsvorteile chinesischer Produkte in Europa auf die staatlichen Subventionen zurück. Fakt ist, dass China schon vor Jahren die Subventionen für die Produktion in diesem Bereich eingestellt hat. Gefördert werden jetzt nur noch R&D in Form von steuerlichen Begünstigungen, die übrigens auch für alle ausländischen Investoren in China gelten. Auch die EU subventionierte 2020 bis 2022 alle denkbaren Branchen mit einer gesamten Summe von 3,8 Billionen Euro. Die Bundesregierung fördert die Intel-Fabrik in Magdeburg mit rund zehn Milliarden Euro trotz Haushaltskrise, und die TSMC-Chipfabrik in Dresden erhielt bis zu fünf Milliarden Euro öffentlichen Zuschuss vom Bund.

In einem Handelskrieg gibt es keinen Gewinner. Das „Derisking“ der deutschen China-Strategie ist aus unternehmerischer Sicht nicht ein Abbau von Risiken, sondern eine „Deduction of opportunities“ - eine Strategie des Chancenabbaus. Die Unternehmer in Deutschland sind klug und pragmatisch. Ich durfte viele von ihnen persönlich kennenlernen. Sie treffen faktenbasiert ihre Entscheidungen, arbeiten gewissenhaft und verantwortungsbewusst und finden für jede Situation einen Ausweg. Ich bewundere den Unternehmergeist in Deutschland. Das ist der Schlüssel für das legendäre „Made in Germany“.

Als Ex-Manager und nun Generalkonsul ist es meine Berufung, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Wir wollen uns gegenseitig ergänzen und gemeinsam gewinnen.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der Autor Du Chunguo ist chinesischer Generalkonsul in Düsseldorf und arbeitete viele Jahre als Manager, zuletzt als Hauptgeschäftsleiter der PowerChina Resources Ltd.