BERLIN, 28. September (Xinhua) -- Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) hat die Bundestagswahl gewonnen und die Partei der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel geschlagen, wie aus den vorläufigen Ergebnissen hervorgeht.
Dies geschah nach der Ankündigung Merkels, die seit fast 16 Jahren Bundeskanzlerin ist, 2018 keine fünfte Amtszeit anzustreben, und nach den spannenden Wahlkämpfen der großen Parteien in diesem Jahr.
Obwohl Merkels Ära zu Ende geht, wird erwartet, dass das Vermächtnis der Eisernen Lady folgenreich bleiben wird. Ihre politische Weisheit, für Pragmatismus und Multilateralismus einzutreten, wird weiterhin wertvoll und aufschlussreich sein, wenn es darum geht, Deutschlands zukünftige Beziehungen zu Europa und dem Rest der Welt zu lenken.
Eine Wählerin gibt in einem Wahllokal in Köln in Deutschland ihre Stimme ab, 26. September 2021. (Foto von Tang Ying/Xinhua)
Die SPD gewann die Bundestagswahl am Sonntag laut den Ergebnissen mit 25,7 Prozent der Stimmen, während die konservative Union aus Merkels Christlich-Demokratischer Union (CDU) und ihrer Schwesterpartei Christlich-Soziale Union (CSU) 24,1 Prozent der Stimmen erhielt. Der Stimmenanteil der SPD ist im Vergleich zu vor vier Jahren um 5,2 Prozentpunkte deutlich gestiegen, während der Anteil der Union um 8,9 Prozentpunkte niedriger beträgt.
Für Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD und amtierender Vizekanzler und Bundesfinanzminister, gab es am Sonntagabend in der SPD-Zentrale in Berlin Beifall von seiner Partei, nachdem die Hochrechnung die Spitzenposition seiner Partei vorausgesagt hatte.
"Ich freue mich so viele hier zu sehen - natürlich freue ich mich über das Wahlergebnis", sagte Scholz.
Mit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin wurden die Grünen mit 14,8 Prozent der Stimmen drittstärkste politische Kraft im Bundestag, gefolgt von der wirtschaftsfreundlichen Freien Demokratischen Partei (FDP) und der weit rechts stehenden Partei Alternative für Deutschland (AfD), teilte der Bundeswahlleiter mit.
Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (links) nimmt an einer Kundgebung in der SPD-Bundeszentrale in Berlin teil, 26. September 2021 teil. (Foto von Stefan Zeitz/Xinhua)
Viele Beobachter halten verschiedene Dreier-Koalitionen für denkbar, unter anderem die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sowie das Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, Grünen und FDP.
Sowohl Scholz als auch sein Hauptkonkurrent Armin Laschet, der Kanzlerkandidat der CDU/CSU und Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, haben den Wunsch geäußert, die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung zügig abzuschließen.
Während ihrer Amtszeit hat Merkel Deutschland zu wirtschaftlichem Wohlstand verholfen, indem sie das Etikett des "kranken Mannes Europas" ablegte und Deutschland zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt und nahezu Vollbeschäftigung vor der Pandemie verhalf. "Das waren 16 gute Jahre für Deutschland", sagte Laschet am Sonntagabend und lobte die Verdienste Merkels.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft beim EU-Gipfel in Brüssel in Belgien ein, 24. Juni 2021. (Europäische Union/Handout via Xinhua)
Merkel bewahrte Gelassenheit, als sie vor einem Jahrzehnt der europäischen Schuldenkrise begegnete, indem sie den finanzschwachen Mitgliedsländern der Eurozone Sparmaßnahmen auferlegte. Als sich 2015 die Flüchtlingskrise zuspitzte, zeigte sie stoische Ruhe und Stärke, und versprach: "Wir schaffen das."
Als Verfechterin des Multilateralismus und der Win-Win-Diplomatie hatte Merkel Amerikas Isolationismus und einige seiner anderen kontroversen Politiken und Maßnahmen scharf kritisiert und sich für die Zusammenarbeit zwischen den Ländern eingesetzt, um gemeinsame Herausforderungen wie Klimawandel, Antiglobalisierung, Ungleichheit und die COVID-19-Pandemie anzugehen.
Merkel hat sich auch für die Förderung des freundschaftlichen und pragmatischen Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China eingesetzt. Infolgedessen haben sich die bilateralen Beziehungen stetig weiterentwickelt, wobei der Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit einen Schwerpunkt bilden.
China ist laut offiziellen Statistiken seit 2016 der größte Handelspartner Deutschlands. Der Handel in beide Richtungen belief sich im Jahr 2020 auf rund 248,4 Milliarden US-Dollar, trotz der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie.
In einem Interview mit Xinhua forderte Altbundeskanzler Gerhard Schröder die nächste Regierung auf, eine pragmatische China-Politik zu verfolgen. Professor Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR Center Automotive Research Duisburg, zeigte sich zuversichtlich, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und China weiterhin sinnvoll gestaltet werden können.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (links) und Armin Laschet, Vorsitzender der CDU und Kanzlerkandidat der CDU/CSU, nehmen an einer Wahlkampfveranstaltung der CDU für die Bundestagswahl in Aachen teil, 25. September 2021. (Foto von Tang Ying/Xinhua)
Trotz ihrer unterschiedlichen Auffassungen haben die deutschen Parteien viele Gemeinsamkeiten in ihren politischen Prioritäten in Bereichen wie Umwelt, Wirtschaft und Sicherheit, was einen Ausblick auf die großen innenpolitischen Herausforderungen für Merkels Nachfolger gibt. Im früheren Jahresverlauf einigte sich Merkels Kabinett auf einen Klimaplan, mit dem bis zum Jahr 2045 CO2-Neutralität erreicht werden soll. Scholz, Laschet und Baerbock haben sich alle für die Bekämpfung des Klimawandels ausgesprochen.
Thieß Petersen, Senior Advisor bei der deutschen Bertelsmann-Stiftung, sagte gegenüber Xinhua, dass die neue Bundesregierung seiner Meinung nach drei große Aufgaben in der Wirtschaftspolitik sofort in Angriff nehmen soll, die Umwandlung der Wirtschaft zu einer klimaneutralen Wirtschaft, den Abbau der steigenden Schulden und die Bewältigung des demografischen Wandels.
Seit mehr als einem Jahrzehnt spielt Deutschland eine wesentliche Rolle in der Europäischen Union (EU) und in multinationalen Zusammenhängen. Merkels Leitung war dabei ein Schlüsselfaktor.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) spricht mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz vor ihrer Rede im Bundestag in Berlin, 25. August 2021. (Xinhua/Shan Yuqi)
Da Merkel aus dem Amt scheidet, wird Brüssel voraussichtlich die Bildung einer neuen deutschen Regierung abwarten, bevor es wichtige Entscheidungen trifft, wie etwa die Verabschiedung eines Maßnahmenpakets zur Bekämpfung des Klimawandels. Paris ist Berichten zufolge besorgt, dass ein Patt in Berlin die französische EU-Ratspräsidentschaft, die Anfang nächsten Jahres beginnt, belasten könnte.
Außerdem wird allgemein angenommen, dass Deutschland angesichts der Abkühlung der transatlantischen Beziehungen aufgrund der Unbeständigkeit der USA nach strategischer Unabhängigkeit weiter streben wird.
(gemäß der Nachrichtenagentur Xinhua)