Die Chefvolkswirtin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Gita Gopinath, spricht bei einer virtuellen Pressekonferenz während der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF in Washington D.C., in den Vereinigten Staaten, 6. April 2021. (Xinhua/Liu Jie)
WASHINGTON, 13. Oktober (Xinhua) -- Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagte am Dienstag ein Wachstum der Weltwirtschaft im Jahr 2021 um 5,9 Prozent voraus und senkte damit die Erwartungen gegenüber der Prognose vom Juli um 0,1 Prozentpunkte, heißt es im jüngsten World Economic Outlook (WEO).
"Der globale Aufschwung hält an, aber die Dynamik hat sich aufgrund der Pandemie abgeschwächt", sagte IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath bei einer virtuellen Pressekonferenz während der Jahrestagung des IWF und der Weltbankgruppe.
Aufgrund der hochansteckenden Delta-Variante ist die Zahl der COVID-19-Todesopfer weltweit auf fast fünf Millionen gestiegen. Zudem bestehen zahlreiche Gesundheitsrisiken, die eine "vollständige Rückkehr zur Normalität behindern", so Gopinath.
"Pandemieausbrüche in kritischen Gliedern der globalen Versorgungsketten haben zu längeren Versorgungsunterbrechungen geführt als erwartet, was die Inflation in vielen Ländern anheizt", fuhr Gopinath fort.
Die IWF-Chefvolkswirtin stellte fest, dass die Gesamtrisiken für die Wirtschaftsaussichten zugenommen haben und die politischen Abwägungen "komplexer" geworden sind.
"Die Aussichten für die Gruppe der einkommensschwachen Entwicklungsländer haben sich aufgrund der sich verschlechternden Pandemiedynamik erheblich verdunkelt", sagte Gopinath.
Eine medizinische Fachkraft impft eine Frau im Rod El Farag Jugendzentrum in der ägyptischen Hauptstadt Kairo, 26. September 2021. (Xinhua/Ahmed Gomaa)
Gopinath betonte, dass die "gefährliche Divergenz" bei den wirtschaftlichen Aussichten in den einzelnen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellen, und sagte, diese Divergenzen seien eine Folge der "großen Kluft bei den Impfstoffen" und der großen Ungleichheiten bei der politischen Unterstützung.
Während fast 60 Prozent der Bevölkerung in den Industrieländern vollständig geimpft sind und einige ihrer Bürger jetzt Auffrischungsimpfungen erhalten, sind nach Angaben des IWF etwa 96 Prozent der Bevölkerung in Ländern mit niedrigem Einkommen noch nicht geimpft.
Die IWF-Chefvolkswirtin forderte die Weltgemeinschaft auf, ihre Anstrengungen zu verstärken, um allen Ländern einen gerechten Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen, die Impf-Zurückhaltung im Falle eines ausreichenden Angebots zu überwinden, und bessere wirtschaftliche Aussichten für alle zu gewährleisten.
Aus dem jüngsten WEO-Bericht geht hervor, dass die fortgeschrittenen Volkswirtschaften in diesem Jahr mit einem Wachstum von 5,2 Prozent rechnen können. Dies entspricht einem Rückgang um 0,4 Prozentpunkte gegenüber der Prognose vom Juli und spiegelt die schwierigeren kurzfristigen Aussichten wider, die zum Teil auf Versorgungsunterbrechungen zurückzuführen sind.
Für die Vereinigten Staaten und den Euroraum wird ein Wirtschaftswachstum von 6,0 Prozent beziehungsweise 5,0 Prozent prognostiziert.
Menschen sitzen vor einem Café in London, Großbritannien, und unterhalten sich, 7. September 2021. (Foto von Ray Tang/Xinhua)
Für die Schwellen- und Entwicklungsländer wird für 2021 ein Wachstum von 6,4 Prozent erwartet, was einer Erhöhung um 0,1 Prozentpunkte gegenüber der Prognose vom Juli entspricht. Dies ist dem Bericht zufolge zum Teil auf angehobene Prognosen für einige Rohstoffexporteure aufgrund der steigenden Rohstoffpreise zurückzuführen.
Die Wirtschaft der Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen wird in diesem Jahr voraussichtlich um 3,0 Prozent wachsen, was einem Rückgang um 0,9 Prozentpunkte gegenüber der Prognose vom Juli entspricht.
Für die chinesische Wirtschaft wird in diesem Jahr ein Wachstum von 8,0 Prozent erwartet, ein Rückgang von 0,1 Prozentpunkten gegenüber der Juli-Prognose. Die leichte Korrektur nach unten spiegelt dem Bericht zufolge den unerwartet starken Rückgang der öffentlichen Investitionen wider.
Auf eine Frage von Xinhua antwortete Gopinath, dass dem IWF bekannt sei, dass China offiziell einen Antrag auf Beitritt zum Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) gestellt habe.
Die IWF-Chefvolkswirtin wies darauf hin, dass es sich beim CPTPP um ein hochwertiges Handelsabkommen handele, und sagte, sie glaube, dass es "gut für die Welt" wäre, wenn mehr Länder einem solchen Abkommen beiträten.
Das Foto zeigt ein Konzeptfahrzeug von IM Motors, das auf der China (Tianjin) Auto Show 2021 in Tianjin in Nordchina ausgestellt wird, 29. September 2021. (Xinhua/Li Ran)
Im jüngsten WEO-Bericht wird zudem auf die Inflationsrisiken in einigen Ländern hingewiesen. Der IWF geht davon aus, dass die Gesamtinflation in der Gruppe der fortgeschrittenen Volkswirtschaften sowie der Schwellen- und Entwicklungsländer bis Mitte 2022 wahrscheinlich wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückkehren wird. Es gibt jedoch erhebliche Heterogenität zwischen den einzelnen Ländern, wobei für einige, wie die Vereinigten Staaten, Großbritannien sowie einige Schwellen- und Entwicklungsländer, Aufwärtsrisiken bestehen.
Es besteht eine "enorme Ungewissheit", so Gopinath. "Wir müssen besonders wachsam sein und sicherstellen, dass diese besonderen Schocks von Angebotsseite nicht dazu führen, dass die Inflationserwartungen entankert werden oder eine Lohnpreisspirale entsteht.
"Die Geldpolitik wird sich auf einem schmalen Grat zwischen der Bekämpfung von Inflations- und Finanzrisiken und der Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung bewegen sollen", so Gopinath.
(gemäß der Nachrichtenagentur Xinhua)